Zusätzlich zu den von der Gemeinde Weichering veröffentlichten "Fragen und Antworten" zum geplanten DHL-Paketzentrum möchten wir hier ergänzende Informationen bereitstellen.
Initial die Mitschrift aus einem der von der Gemeinde angebotenen Rücksprache-Terminen vom 11. und 21.06.2021, Natalie und Christian Rechner mit Bgm. Mack und Vertretern der Fa. DHL (DHL-Vertreter anwesend nur am 11.06., bis inkl. Punkt 3):
"Wir würden gerne alle Aspekte beleuchtet wissen, da unserer Meinung nach dieses Projekt unseren Ort nachhaltig verändern wird, vor allem die Beschleunigung der Wandlung vom ländlichen zum städtischen Lebensraum mit allen negativen Folgen."
- Gewerbesteuer
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1.1. Ist die Eigenständigkeit der Gemeinde Weichering mittelfristig ohne lokaler Ansiedlung von Industrie in der geplanten Größenordnung überhaupt zu halten, d.h. wird grundsätzlich das Erstellen eines Gewerbegebietes im Westen des Ortes als alternativlos erachtet?
Gemeinde: Eine Ansiedlung von Industrie in dieser Größenordnung ist auch mittelfristig nicht zwingend notwendig damit die Gemeinde ihren Pflichtaufgaben nachkommen kann, z.B. Schule, Kindergarten und Feuerwehr.
Zusätzliche Steuereinnahmen von Projekten wie dem geplanten Paketzentrum bieten allerdings Chancen für weitere Entwicklungen, z.B. Schaffung von Einkaufsmöglichkeiten oder Ermöglichung einer Arzt-Ansiedlung.
Die Eigenständigkeit der Gemeinde ist unabhängig von der finanziellen Situation und könnte nur im Rahmen einer Gebietsreform verändert werden. Eine Planung zur Durchführung einer Gebietsreform ist nicht bekannt und in näherer Zukunft eher unwahrscheinlich.
1.2. Die Weicheringer Gemeindefläche ist durch B16, Bahnlinie und angrenzende Wälder begrenzt. Aktuell sind auch schon weitere Projekte geplant, welche Fläche fordern werden (B16-Ausbau, neue Wohnbaugebiete, Erweiterung Gewerbegebiet, …).
Durch den zusätzlichen Flächenverbrauch aufgrund des Paketzentrums sehen wir die Gefahr, den nächsten Generationen von Weicheringer Bürgern ihren Gestaltungsspielraum zu nehmen.
Wurden Alternativ-Szenarien diskutiert um den jetzt geplanten, irreversiblen Flächenverbrauch durch den Bau des Paketzentrums zu vermeiden und trotzdem den Gemeindehaushalt aufzubessern? Beispiel: Solarpark, bei dem die Fläche nach einer Laufzeit von 25 Jahren anderweitig genutzt werden kann – analog dem Projekt in Karlshuld.
Gemeinde: Ideen wie z.B. der angesprochene Solarpark wurden tatsächlich bereits diskutiert. Allerdings haben solche Projekte den Nachteil, dass oft hohe Anfangs-Investitionen notwendig sind und der Gewerbesteuer-Rücklauf sich evtl. erst langsam einstellt.
Daher hat man sich bewusst dazu entschieden, die Chance eines langfristig gebundenen, bonitätsstarken Grossinvestors zu nutzen, auch wenn damit ein hoher Flächenverbrauch einher geht.
- Klimaschutz
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Der Klimaschutz durch Einsparung gefahrener Kilometer ist natürlich erst mal positiv zu erwähnen.
2.1. Gibt es hierzu Fakten bzgl. des geplanten Projektes, z.B. Einsparung CO2?
DHL: Konkrete Zahlen zur CO2-Einsparung aufgrund des geplanten Projektes können wir nicht nennen. Allerdings hat sich die Deutsche Post DHL dazu verpflichtet, ihre Gesamt-Emissionen von 33 Mio. Tonnen im Jahr 2020 auf unter 29 Mio. Tonnen im Jahr 2030 zu senken. Ziel der Errichtung eines neuen Paketzentrums im Großraum Ingolstadt ist neben der Kompensierung des enorm wachsenden Paketaufkommens auch die Einsparung von LKW-Fahrten als Baustein zur Verringerung der Gesamt-Emissionen.
Zudem sollen generell mehr Transporte auf die Bahn verlagert werden, von heute 2% bis zu 20% in der Zukunft. Das geplante Paketzentrum Weichering ist dafür leider nicht geeignet, obwohl es direkt neben einem existierendem Bahngleis der Donautal-Bahn gebaut werden soll. Der Neubau eines Bahnanschlusses wäre zu aufwendig und würde zuviel Fläche verbrauchen. Wahrscheinlicher ist zukünftig der Ausbau des Logistik-Netzwerks über existierende Terminals, z.B. am Bahnhof Ingolstadt.
2.2. Die Standortwahl an der B16 für ein Paketzentrum ist bzgl. der Verkehrsinfrastruktur nicht 100%-ig nachvollziehbar, ein Standort direkt oder näher an der A9 bzw. B300 wäre augenscheinlich optimaler. Wie ist hier die zusätzliche Fahrstrecke A9-B16-A9 im Gegensatz zu einem Standort direkt an der Autobahn zu bewerten? Viele der existierenden DHL-Paketzentren sind direkt an Autobahnen verortet.
Angenommen 80% der Fahrten A9-Weichering würden auch wieder zur A9-Anschlussstelle zurückgehen, ergäbe sich folgender Kilometeraufwand:
(700 LKW x 16 km) + (700 LKW x 16 km x 80%) = 20.160 km / Tag 20.160 km / Tag * 300 Tage = 6.048.000 LKW-km in der Region 10 pro Jahr mehr gegenüber Standort an A9
Sind diese Annahmen aus Sicht des Projektes nachvollziehbar oder erscheinen unsere Zahlen völlig aus der Luft gegriffen?
DHL: Erstmal ist es korrekt, dass die meisten aller LKW-Fahrten von der Anschlussstelle A9-Manching nach Weichering auch wieder zurück zur A9 gehen werden. Aus diesem Grund wäre uns natürlich ein Standort in der Nähe der Autobahn lieber.
Auch die angenommenen ca. 20.000 LKW-km / Tag mehr gegenüber einem Standort an der A9 sind nachvollziehbar, in Relation zum Gesamt-Fahraufwand aller DHL-LKWs bundesweit aus Sicht DHL aber vernachlässigbar.
2.3. Was sind die primären Beweggründe der Post, den Standort an der B16 gegenüber verkehrsgünstigeren an bestehenden Autobahnen zu bevorzugen bzw. sind Informationen zu Alternativstandorten zugänglich?
DHL: Wir benötigen ein zusammenhängendes, topographisch geeignetes Grundstück in der ausreichenden Größe. Geeignete Plätze direkt an Autobahnen werden leider zunehmend rarer. Zudem müssen auch die Eigentümer gewillt sein, die Grundstücke zu veräußern.
Gemeinde: Alternativstandorte außerhalb von Weichering wurden von der Firma DHL an die Gemeinde nicht kommuniziert. Auf dem Ortsgebiet von Weichering gab es verschiedene Vorschläge, von denen sich der jetzt geplante Standort als der geeignetste herausgestellt hat.
- Arbeitsplätze
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Lt. der Presseberichte werden 400 neue tarifgebundene und sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze am Standort geschaffen.
3.1. Leider gibt es noch keine Veröffentlichung zur konkreten Aufteilung der Qualifikationsprofile, nur von ca. 20% Technikern und Angestellten ist die Rede. Daher gehen wir davon aus, dass der Rest von ungelernten Arbeitnehmern besetzt wird. Ist das korrekt?
DHL: Ja, es ist korrekt dass ca. 80% der Arbeitsplätze von ungelernten Arbeitnehmern besetzt werden können.
3.2. Gibt es belegbare Zahlen zum tatsächlichen Bedarf in diesem Sektor im Einzugsgebiet bzw. Prognosen von der Bundesagentur für Arbeit?
In Presseberichten zu DHL Paketzentren ähnlicher Größe an Standorten mit höherer Arbeitslosigkeit ist die Rede von enormen Arbeitskräfte-Mangel. Falls der Bedarf nicht durch bestehende regionale Arbeitssuchende gedeckt werden kann, gibt es Planungen zur Schaffung von Wohnraum inkl. zugehöriger Infrastruktur aufgrund Zuzug?
Presseartikel zum Thema:
- Neuburger Rundschau: Im Raum Neuburg fehlt es Betrieben an Arbeitskräften (26.06.2021) (GEFAK-Studie: Im Landkreis fehlen 1.200 Arbeitskräfte und 186ha Gewerbegrund)
- Paketzentrum Obertshausen - „Ohne die Flüchtlingswelle könnten wir die Anlage nicht betreiben“ (26.08.2018)
DHL: Konkrete Zahlen für den aktuellen Arbeitsplatz-Bedarf in der Region haben wir aktuell nicht dabei. Wir nehmen allerdings an, dass in Zukunft z.B. durch die Transformation in der Automobilindustrie der Bedarf an Arbeitsplätzen mit diesem Profil steigen wird und somit die Stellen aus der Region besetzt werden können.
3.3. Viele Aussagen zielen darauf ab, dass DHL ja sowieso bauen wird – wenn nicht in Weichering, dann in der näheren Umgebung, d.h. etwaige Arbeitsplätze für Weicheringer Bürger würden auch in diesem Fall entstehen. Gibt es für die Gemeinde darüber hinaus bzgl. Arbeitsplätze weitere Vorteile, wenn diese auf Gemeindegrund geschaffen werden (z.B. Umlagezahlungen).
Gemeinde: Nein, bzgl. Arbeitsplätze von ortsansässigen Unternehmen gibt es für den Gemeindehaushalt keine weiteren Vorteile.
- Verkehrszunahme
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4.1. In der Presse ist von 700-800 LKW-Fahrten pro Tag die Rede, ist damit Hin- und Rückweg gemeint oder fährt jeder LKW „doppelt“ an Weichering vorbei? In diesem Fall entspräche die Zusatzbelastung der B16 inkl. Lärm dann ca. 1.300-1.500 LKWs pro Tag.
Gemeinde: Ca. 80% der LKWs fahren auch wieder zurück zur A9, somit ist die oben genannte Zusatzbelastung auf der B16 von 1.300-1.500 LKWs pro Tag korrekt.
4.2. Betreffen die genannten LKW-Zahlen den Endausbau oder ist noch eine Skalierung bei erhöhtem Paketaufkommen möglich? Wenn ja, was wäre die Obergrenze an zusätzlichem LKW-Verkehr bei max. Auslastung der Sortieranlagen?
Gemeinde: Aktuell liegen diese Zahlen leider nicht vor, die Anfrage läuft aktuell bei DHL.
4.3. Was ist das aktuelle Verkehrsaufkommen sowie die Belastungsgrenze der B16, welche einen 4-spurigen Ausbau zwingend notwendig macht?
Gemeinde: Die letzte Verkehrszählung auf der B16 fand 2015 statt, die Nächste wäre für 2020 geplant gewesen, diese wurde aufgrund Corona aber auf 2021 verschoben. Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse vom staatlichen Bauamt Ingolstadt in Kürze vorliegen werden.
4.4. Ist ein vertraglich festgelegtes Einfahrverbot der DHL-LKWs nach Weichering geplant?
Gemeinde: Ein grundsätzliches Einfahrverbot von LKWs in den Ort ist rechtlich nicht möglich. Die Fahrer sind angehalten – z.B. durch Navi-Programmierung – die Ausfahrt Maxweiler zu nutzen. Im Falle von vermehrten Durchfahrten hat die Gemeinde die Möglichkeit, zeitweise zu sanktionieren.
4.5. Wer wäre bei Ausbau der B16 für den Lärmschutz zuständig? Ist es denkbar, dass DHL an dieser Stelle positiv eingreifen kann – z.B. durch weitere Finanzierung?
Gemeinde: Für den Lärmschutz an der B16 ist ausschließlich der Bund zuständig. Allerdings versucht die Gemeinde alle zusätzlichen Möglichkeiten auszuloten.
4.6. Ist im Zuge des 4-spurigen B16-Ausbaus ein Lärmschutz im Osten von Weichering (Blumensiedlung) geplant?
Gemeinde: Aktuell liegen hierzu noch keinerlei Informationen vor.
- Negative Außenwirkung
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Folgende Bedenken haben wir bei Umsetzung des Projektes:
- Ablehnung eines 4-spurigen B16-Ausbaus wird unglaubwürdig
- Flächenverbrauch steht konträr zum „Zeitgeist“ und Willensbekundungen von Politikern zur Begrenzung des Flächenfraßes
- Beziehungen zu anderen Orten welche direkt betroffen sind aber keinerlei Vorteile genießen könnten nachhaltig beschädigt werden (Maxweiler, Anlieger der B16 von A9 bis hier)
5.1. Vertrauen in Kommunalpolitik könnte verloren gehen, siehe Wahlversprechen bei Kommunalwahl 2020. War den Gemeinderäten zum Zeitpunkt der Kommunalwahl das Projekt bereits bekannt?
Gemeinde: Der Erstinformation des Gemeinderates fand im März 2020 nach der Gemeinderatswahl statt.
5.2. Wurde vor dem Beschluss zur Weiterverfolgung des Projektes vom Gemeinderat der Betrieb existierender DHL-Paketzentren ähnlicher Größe bei Tag sowie bei Nacht besichtigt?
Gemeinde: Zum Zeitpunkt des Beschlusses haben organisierte Besichtigungstermine noch nicht stattgefunden, es ist allerdings geplant diese zeitnah durchzuführen.
5.3. Hat man sich mit Gemeindevertretern von anderen geplanten, realisierten oder abgelehnten Paketzentren ausgetauscht, z.B. Aschheim oder Oberkessach? In zuletzt genanntem Ort haben sich vor der Durchführung eines Beschlusses „der Ortschafts- und Gemeinderat in insgesamt über 300 Stunden unter anderem teilweise stundenlang vor DHL-Zentren gestanden und Lärm- und Lichtverschmutzung dokumentiert.“ Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung
Gemeinde: Zum Zeitpunkt des Beschlusses wurde ein derartiger Erfahrungsaustausch noch nicht durchgeführt, ist allerdings geplant.